NKWD - die politische Polizei in der Stalin-Ära

Das „Villa Krüger“ genannte Gebäude in der Neuendorfer Straße 89a ist vom Tuchfabrikanten Julius Krüger, der 1874 auch die bis 1906 benachbart in der Neuendorfer Straße gelegene Elisabethhütte errichtet hatte, in den Jahren zwischen 1906 und 1910 nach Plänen des Architekten Paul Schultze-Naumburg, der auch Schloss Caecilienhof erbaute, errichtet worden. Zu DDR-Zeiten war das Gebäude auch als „Gertrud-Piter-Villa“ bekannt. Von 1954 bis 2013 hatte sich dort eine städtische Kita befunden. Zur Zeit findet ein Umbau zu einem Vier-Sterne-Hotel statt.
1945-1950 wurden einzelne Kellerräume der Villa vom russischen Geheimdienst NKWD (Volkskommissariat des Inneren) als Hafträume genutzt. Der NKWD war ab 1934 die politische Polizei in der Stalin-Ära als Nachfolger der GPU. Auch Aufklärung und Abwehr gehörten zu ihren Aufgaben. Nach Ende des Krieges in Brandenburg am 30.4.1945 rückten mit der Roten Armee auch Kräfte des NKWD in Brandenburg ein. Der NKWD unterstand in seiner operativen Tätigkeit nicht dem jeweiligen Militärbefehlshaber, sondern eigenen Vorgesetzten. Der NKWD errichtete sein Hauptquartier in den Gebäuden Neuendorfer Straße 87–89a und Luckenberger Straße1-9 (ungerade Hausnummern). Der NKWD betrieb außerdem ein Internierungs- und Filtrierungslager auf dem Gelände der Landesanstalt Görden (heute Asklepios Klinikum) für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, das Kriegsgefangenenlager auf dem Quenz, das NKWD-Gefängnis im Zuchthaus Görden und verschiedene weitere Verhör- und Haftkeller in der Stadt. Sowjetische Kriegsgefangene, die in ihre Heimat zurückgebracht wurden, galten auf Stalins Befehl als Verräter und Feiglinge. Sie kamen meist in Strafarbeitslager.
Alle deutschen Verdächtigen kamen grundsätzlich zunächst zu ausgedehnten Verhören in die Zentrale des NKWD in der Luckenberger / Neuendorfer Straße. Die Inhaftierten wurden auf unmenschliche Weise behandelt, wurden wieder und wieder verprügelt und auf das gröbste misshandelt. Zu den unfassbaren Zuständen sei auf die auf dieser Website nachzulesenden Protokolle der Augenzeugengespräche mit Gisela Gneist und Gerd Fischer verwiesen, die beide im Keller der Krüger-Villa inhaftiert waren und dort misshandelt wurden.
Ein Teil der Festgenommenen wurde zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt und in russische Straflager deportiert. Die letzten als „Kriegsgefangene“ bezeichneten deportierten Deutschen konnten erst 1955 zurückkehren. Ein Großteil von ihnen hatte die ihnen zur Last gelegten Taten überhaupt erst nach Kriegsende begangen. Einige Dutzend der erst zu diesem Zeitpunkt Freigelassenen, die als „Hauptkriegsverbrecher“ bezeichnet wurden, waren zum Zeitpunkt der Deportation in die Sowjetunion noch nicht einmal 14 Jahre alt.
Ein Beispiel für die vom NKWD Inhaftierten ist das Schicksal des Stadtpolizisten Wilhelm Sypniewski, der zwei sowjetische Soldaten dabei überrascht hatte, als sie in seine Laube einbrechen wollte. Sypniewski schoss auf die Soldaten, ohne erkannt zu haben, dass es sich um Angehörige der Roten Armee handelte, und verletzte einen von ihnen am Arm. Er meldete diesen Vorfall selbst. Der sowjetische Stadtkommandant, Oberst Wolkow, wollte keinerlei Schritte gegen Sypniewski einleiten. Er wurde jedoch vom damaligen Oberbürgermeister Fritz Lange wegen des Vorfalls gekündigt. Anschließend wurde er auf Befehl des örtlichen NKWD-Kommandanten, Oberst Klikow, verhaftet, vor ein Militärtribunal gestellt und zu sieben Jahren Arbeitslager verurteilt.

Lit.: Akten im Stadtarchiv zu Sypniewski, 2.0.2.80/80; 2.0.2.39/39; 2.0.2.18/18;
Wirken der Besatzungsmacht 1945-1990 in Brandenburg/Havel Autorenkollektiv bei der BAS 1999; Leonore Ansorg, Politische Häftlinge im Strafvollzug der DDR: Die Strafvollzugsanstalt Brandenburg, Berlin 2005


Zeitzeugenbericht Aussage Gisela Gneist >>>

Zeitzeugenbefragung: G. Fischer, AG Erinnern, 24.11.2005 >>>