Otto Tschirch

Otto Tschirch – Stadtarchivar und Historiker
Otto Tschirch ließ sich gern von dem verwendeten Leitspruch des Freiherrn vom Stein: »Sanctus amor patriae dat animum.« – »Die heilige Liebe zur Heimat gibt Mut und Kraft zu schöpferischer Tat.« beeinflussen.
Otto Tschirch wurde am 4. Juni 1858 in Guben in einer Pfarrersfamilie geboren und studierte ab 1880 an der Berliner Friedrich- Wilhelms- Universität. Ab 1882 war er Lehrer am von Saldernschen Gymnasium zu Brandenburg (Havel) und promovierte 1884 in Halle. Ab 1884 wirkte er im Vorstand des Historischen Vereins zu Brandenburg und von 1909 bis 1937 als Vorsitzender des Vereins. Von 1899 bis 1929 war er als Stadtarchivar in Brandenburg tätig. Als Stadtarchivar und Vorsitzender des Historischen Vereins hatte Tschirch sich nachdrücklich um das damals noch im Brandenburgischen Steintorturm befindliche Heimatmuseum des Vereins bemüht. 1923 gelang ihm die Neugestaltung des Heimatmuseums des Historischen Vereins, jetzt in einem neuen Gebäude – dem „Frey-Haus“ in der Ritterstraße. Dieses Museum galt für einige Zeit als Vorbild für Brandenburgische Heimatmuseen. Im Jahr 1902 wurde Otto Tschirch im Rahmen seiner Lehramtslaufbahn an der Saldria zum Professor ernannt.
Im Jahr 1912 – dem 500jährigen Jubiläum des Hohenzollernhauses – war er maßgeblich an der Gestaltung der Festlichkeiten, die z. T. in Anwesenheit des Kaisers Wilhelm II. stattfanden, beteiligt. Dazu gehörten die Einweihung des Kurfürstendenkmals vor dem restaurierten Altstädtischen Rathaus und der historische Festumzug. In diesem Jahr wurde seine erste größere zusammengefasste Darstellung wichtiger Vorgänge in der Stadtgeschichte herausgegeben, die „Bilder aus der Geschichte der Stadt Brandenburg“. Nach dem Ersten Weltkrieg betätigte sich Otto Tschirch kurzzeitig in der Nationalliberalen Deutschen Volkspartei. In der Haltung von Otto Tschirch verbanden sich Konservatismus mit Liberalität, preußisch-deutscher Patriotismus mit Toleranz und Pluralismus und Nationalstolz mit Humanismus, jedoch in zeitbedingt wechselnden Ausprägungen und nicht ohne Irrtümer, aber stets in Abgrenzung vom Antisemitismus.

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Vom Magistrat Brandenburgs erhielt er 1921 den Auftrag, in Vorbereitung der Jahrtausendfeier die Geschichte der Stadt Brandenburg umfassend zu beschreiben. Die „Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel“ lag 1928 in zwei Bänden vor. Dieses Werk gilt noch immer als Standartwerk zur Geschichte der Stadt Brandenburg. Der Vorschlag des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Fresdorf zu seiner Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt fand nicht die Zustimmung der SPD- Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung. Das holten die Nationalsozialisten 1933 nach.
1936 schrieb Tschirch im Vorwort zur Neuausgabe seiner „Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel“, „dass er die zweite Auflage dieses Buches in einer Zeit abschließen durfte, wo das deutsche Volk unter seinem entschlossenen Führer die Ketten des Versailler Vertrages zerbrechen, seine Ehre und Gleichberechtigung mit den anderen großen Kulturvölkern, die Wehrhoheit und volle Verfügung über sein Gebiet und seine Ströme wiedergewinnen konnte.“
Tschirch frohlockte: „Manches durfte jetzt gesagt werden, was 1928 verwehrt wurde.“
Den 80. Geburtstag 1938 verlebte der Ehrenbürger Otto Tschirch zwar hoch geehrt, aber doch desillusioniert und resigniert. Er kam mit den politischen Wende- und Machtspielen in seinen späteren Lebensjahrzehnten nicht mehr zurecht.
Ende 1936 wurde eine zweite Auflage der Stadtgeschichte herausgegeben – jetzt einbändig und sehr sparsam ausgestattet. Nicht lange danach wurde dieses Werk durch das Reichspresseamt des Reichspropaganda-Ministeriums verboten und durch die NSDAP- Kreisleitung zur Vernichtung eingezogen.Hier muss auf das von Otto Tschirch formulierte »Gebot der Zurückhaltung, wenn es sich um eine neue Zeit handelt« verwiesen werden. Er hatte dieses Gebot zu Beginn des Schlusskapitels in seinem »Schmerzenskind«, der Brandenburger Stadtgeschichte von 1928, ausgesprochen, des Kapitels, welches später in der nationalsozialistischen Zeit gestrichen worden war. Eine 3. Auflage seiner Stadtgeschichte wurde von seinem Nachfolger im Stadtarchiv Dr. Hans Neumann überarbeitet und – nunmehr ohne sein Schlusskapitel – 1941 herausgegeben. Tschirch verstarb am 15. März 1941.
Quelle:
45 namhafte Brandenburger. Hrsg. Marcus Alert/Wolfgang Kusior, Berlin 2002