Kaufhaus Conitzer

In der Hauptstraße in Brandenburg gab es zwei Kaufhäuser mit dem Namen Conitzer. Der Conitzer - Konzern betrieb in Deutschland eine Reihe von Kaufhäusern, bis Mitte der zwanziger Jahre war die Zahl auf 22 mit einer gemeinsamen Einkaufsstelle in Berlin angewachsen.
1882 wurde das erste Kaufhaus von Moses Conitzer in Marienwerder / Westpreußen (heute Kwidzyn / Polen) mit seinen Söhnen Nathan, Alex und Hermann gegründet. In den folgenden Jahrzehnten dehnte sich der Konzern unter dem Namen M. Conitzer und Söhne auf einen großen Teil Deutschlands von Westpreußen bis Osnabrück, südlich bis nach Coburg aus. Als wesentliche Neuerungen wurde durch Conitzer wie bei anderen erfolgreichen Kaufhausgründern Anfang des 20. Jahrhunderts der freie Zugang der Kunden zu den Waren, die ausführliche Prüfungsmöglichkeit vor dem Kauf, das Umtauschrecht, Festpreise, die nicht mehr ausgehandelt wurden und der Barverkauf eingeführt. Zuvor war es üblich, dass auf Rechnung verkauft wurde und der Kunde erst zu einem späteren Zeitpunkt zu bezahlen hatte. Gerade durch den Barverkauf (und Barankauf) konnte Conitzer erhebliche Kostenvorteile erzielen.
1890 gründete Hermann Conitzer ein eigenes Kaufhaus in Brandenburg. Dieses Kaufhaus wurde 1905 an Alfred Flakowski verkauft, der es bis zu seinem Tod 1942 unter seinem Namen, die ersten Jahre mit dem Zusatz „Conitzer Nachfolger“ betrieb. Nach der Machtübernahme der NSDAP wurde dieser Namnszusatz jedoch durch „Arisches Kaufhaus“ ersetzt. Sein Sohn Horst Flakowski flüchtete, nachdem der Druck auf selbstständige Geschäftsleute nicht mehr tragbar war nach Westdeutschland. Das Kaufhaus wurde 1991 an ihn zurückübertragen und für umgerechnet fünf Millionen € an Karstadt verkauft. Die Hälfte gab er dem SOS-Kinderdorf als Anschub, um in Brandenburg an der Havel eine Einrichtung zu bauen. Mit der anderen Hälfte gründete er eine Stiftung, die unter anderem bedürftigen Menschen hilft. Er ist Ehrenbürger von Brandenburg.
conitzer-kaufhaus-bild
ARISIERUNGKAUFHAUSFauser
IMG2341
32140P-Kaufhaus-Conitzer
IMG2343
59-DokumentDSC6268
gerhard-conitzer-brief-2
Gerhard-conitzer-Brief-1


Ein weiteres Kaufhaus in der Hauptstraße 5 -8 blieb im Besitz von Hermann Conitzer. 1909 trat sein Neffe Alfred in das Geschäft ein. Beide gründeten in Rathenow eine Filiale. Hermann Conitzer war auch Leiter der Fa. M. Conitzer & Söhne in Berlin als Einkaufsgesellschaft des Conitzer Konzerns und befreundeter Firmen. 1927 bildete sie eine Interessengemeinschaft mit dem Hermann Tietz Konzern (Hertie). Zu dieser Zeit hatte der Conitzer Konzern, der eher in Provinzstädten präsent war einen jährlichen Umsatz von ca. 30 Millionen Mark, während der großstädtische Hermann Tietz Konzern einen Umsatz von ca. 300 Millionen Mark hatte. Zur Zeit der Nationalsozialisten gerieten die Conitzer Kaufhäuser zunehmend unter Druck. Sie wurden Opfer von Boykottaufrufen. Direkt neben dem Brandenburger Kaufhaus wurde ein „Stürmer-Kasten“ mit wüsten antisemitischen Beschimpfungen aufgestellt. Vor dem Rathenower Kaufhaus Conitzer, in dem 140 Festangestellte und in der Vorweihnachtszeit 40 Aushilfen beschäftigt waren, patrouillierten am 15.12.1935 den Nachmittag über SA – Männer in Uniform und belästigten Kauflustige, indem sie aufforderten, nicht bei Juden zu kaufen.
In den Folgejahren wurden die Mitglieder der Familie Conitzer gezwungen im Rahmen der „Arisierung jüdischen Eigentums“ ihre Kaufhäuser zu verkaufen. Angemessene Kaufpreise konnten dabei regelmäßig nicht erzielt werden. Auch der magere Erlös wurde durch weitere Maßnahmen erheblich geschmälert. Der Käufer hatte eine „Arisierungsabgabe zu leisten, die vertraglich aber wie im Falle des Kaufhauses Conitzer in Gotha vom Verkäufer zu übernehmen war. Die Inhaber wurden zur Auswanderung gezwungen. Abgesehen davon, dass eine „Reichsfluchtsteuer“ in erheblicher Höhe zu zahlen war, mussten für eine Ausfuhrgenehmigung für die mitgenommenen Gegenstände erhebliche Gebühren bezahlt werden. Ohnehin musste der Großteil des Besitzes in Deutschland verbleiben. Im Falle der Rosa Conitzer, Mitinhaberin des Brandenburger Kaufhauses, die nach Buenos Aires (Argentinien) auswanderte, verblieb das gesamte Mobiliar ihrer Villa in Berlin – Dahlem im Hause. Eine Kiste mit Pelzen wurde im Hamburger Hafen zurückgehalten und später versteigert. Der Erlös wurde nicht ausgezahlt. Schmuck und Silber durfte nicht mitgenommen werden. Der Restbetrag des Kaufpreises für das Kaufhaus kam auf ein Sperrkonto, von dem im Ergebnis nur inländische Verbindlichkeiten beglichen werden durften. Schließlich verfiel das verbliebene Vermögen ausgebürgerter Juden nach der 11. VO zum Reichsbürgergesetz vom 15.11.1941 entschädigungslos dem Reich. Das Kaufhaus in Brandenburg wurde 1938 im Zuge der Arisierungsmaßnahmen an Hermann Fauser verkauft, der es unter dem Namen Kaufhaus Fauser weiterführte. Nach dem Krieg wurde die Ruine abgerissen und dort das Konsum- später HO-Kaufhaus (Magnet) errichtet.
Aus Recherchen eines in den USA lebenden Nachfahren der Conitzers ergibt sich, dass etwa 400 Mitglieder des weiteren Familienumkreises Conitzer unter den Nationalsozialisten interniert, deportiert und später getötet wurden. Die verbliebenen Nachfahren leben über die gesamte Welt verstreut, z.B in den USA, Großbritannien, Südafrika, Zimbabwe, Chile und Uruguay.

Lit.: John H. Richter Coll. 1904 – 1994, The Leo Baeck Institute New York
BLHA Rep. 2 A Regierung Potsdam I Pol (Nr.1919 Bl. 102-109); BLHA Rep. 36 A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II) Nr. 6646 Vermögensverwertungsstelle