Wladimir Jakowlewitsch Brjutschkowki

Der ehemalige ukrainische Zwangsarbeiter Wladimir Jakowlewitsch Brjutschkowski, geboren am 10. 06. 1925, berichtete bei einem Besuch in Brandenburg im Jahr 2000 über seinen Zwangsaufenthalt während des Nationalsozialismus in der Stadt.
Im April 1943 mussten sich alle Männer und Frauen der Jahrgänge 1920 bis 1930 im Dorf Grischky (nahe der Stadt Kameutz) auf Befehl des deutschen Kommandanten melden. Bei Nichterscheinen am Sammelpunkt drohte die Erschießung der gesamten Familie. 1.500 Männer und Frauen sollten nach Deutschland transportiert werden.
Wladimir Brjutschkowski wies auf die menschenunwürdigen Vorgänge zur Desinfektion auf dem langen Weg zum Arbeitseinsatz im Deutschen Reich hin.

In der Stadt Brandenburg wurden sie unter den Interessenten auf dem Arbeitsmarkt aufgeteilt, Ehepaare kamen vorwiegend zu den Bauern der Umgebung, die anderen wurden den Betrieben zugewiesen.
Brjutschkowski kam in das Panzerwerk des Stahl - und Walzwerkes. Auch er war im Barackenlager Wilhelmshof untergebracht.
Wie überall wurde in zwei Schichten mit jeweils 12 Stunden gearbeitet. Es gab häufig Arbeitsunfälle. W. J. Brjutschkowski weiß nicht, wo die Verletzten hingebracht wurden. Auch mehrere Todesfälle gab es.
Als Verpflegung gab es morgens einen halben Liter Rübensuppe, wobei die Rüben meist verfault waren, und abends gab es 300 g Brot und Suppe, während der Arbeit gab es nichts zu essen. Das Mehl für das Brot wurde mit Sägespänen gestreckt.
Im Monat erhielten sie 10 bis 15 Mark ausgezahlt, davon konnten sie in der Verkaufsstelle des Lagers einkaufen.
Zum Waschen im Lager hatten sie weder Seife noch Handtücher, nur kaltes Wasser. In den Baracken standen Zwei- und Drei-Etagen-Betten mit Strohsäcken.
Schläge oder verschärfte Arbeitsbedingungen waren die häufigsten Formen der Strafen. Die deutschen Arbeiter verhielten sich zurückhaltend.
Einige Wochen arbeitete Brjutschkowski bei einem Kontrolleur, der ihm täglich von seinem Mittagessen abgab, obwohl das strengstens verboten war. Auch andere Deutsche hatten den Zwangsarbeitern Essen zugesteckt.
Bei Fliegeralarm mussten die Deutschen und ausländischen Arbeiter die Werkhallen verlassen und Schutzräume bzw. – gräben aufsuchen. Die Zwangsarbeiter entnahmen bei diesem Durcheinander des Alarms Essbares aus den Schränken der Deutschen. Es gab nie eine Beschwerde deutscher Arbeiter.
Die sowjetischen Zwangsarbeiter durften das Lager nur zur Arbeit und mit einem Passierschein am freien Sonntag, den sie alle 14 Tage erhielten, verlassen.
Im August 1943 flüchtete er mit anderen Zwangsarbeitern. An der deutsch-polnischen Grenze wurde er wie viele andere auch wieder eingefangen und in Schneidemühl der Gestapo übergeben. Da Arbeitskräfte dringend notwendig waren, wurde er nun in der Landwirtschaft zur Arbeit gezwungen.


Das Leben nach der Zwangsarbeit

Wladimir Jakowlewitsch Brjutschkowkis Zwangsarbeit im „Großdeutschen Reich“ endete mit der Befreiung durch die Rote Armee. Wie viele Zwangsarbeiter betrachtete man ihn zunächst als Landesverräter. Er entging zweimal nur knapp einer Hinrichtung.
Ehemalige Zwangsarbeiter wurden durch die Rote Armee für Wachbataillione rekrutiert. Wladimir wurde nach kurzer Ausbildung als Sergeant im Wachdienst des Speziallagers Buchenwald, später in Torgau eingesetzt.
Dort verliebte sich der junge Ukrainer in die junge Deutsche, Ursula-Susanna H. (geb. 1925). Irgendwann erwiderte die junge Frau das Werben. Bis zur Schwangerschaft Ursulas blieb die Liebe unentdeckt. Während sie nach Bautzen kam, wurde Wladimir gefangen genommen und nach Suchobeswodnoje bei Gorki deportiert. Beide sahen sich nie wieder.
Nach der Geburt ihres Sohnes Alexander wurden Mutter und Sohn in das Internierungslager Sachsenhausen verlegt. Bei der Auflösung von Sachsenhausen Anfang 1950 gehörte Ursula H. als SMT-Verurteilte und ihr Sohn zu denen, die in die Frauenstrafanstalt Hoheneck im Erzgebirge transportiert wurden. Dort wurde Ursula ihr Sohn Alexander weggenommen. Er kam in ein Kinderheim. Erst mit 11 Jahren lernte er seine Mutter kennen, die nach ihrer Entlassung nach West-Berlin geflohen war. Dort heiratete sie einen andern Mann, der später auch den Sohn adoptierte.
Wladimir Brjutschkowki wurde vor ein Militärgericht gestellt, das ihn zu sechs Jahren Gulag verurteilte, weil er in "verbotener Weise eine Liebesbeziehung zu einer Gefangenen unterhalten" habe, "seinen Posten verlassen, ihr heimlich Essen und andere Vergünstigungen zukommen" ließ.
Nach der Wende begann Alexander über seine Vergangenheit zu recherchieren. Er schaffte es, seine Mutter in Moskau rehabilitieren zu lassen. "Die sowjetischen Behörden räumen ein: Sie war unschuldig." Auch die Suche nach seinem Vater war erfolgreich. Er lebt heute mit seiner Familie und bis dahin ohne das Wissen von seinem Sohn in einem Dorf nahe Kaliningrad. Im Herbst 2000 trafen sich beide das erste Mal. Während dieses Treffens war Wladimir Jakowlewitsch Brjutschkowski auch wieder in der Stadt Brandenburg, das erste Mal seit seiner Befreiung aus der Zwangsarbeit.