Paul Szillat

Paul Szillat war der letzte Brandenburg Oberbürgermeister vor der Machtergreifung Hitlers.
Er wurde am 30.10.1880 in Berlin geboren. Der gelernte Feinmechaniker engagierte sich nach dem ersten Weltkrieg sehr aktiv als Kommunalpolitiker der SPD. 1919 war er Gemeindevertreter in Steglitz und Kreistagsabgeordneter von Teltow-Beeskow. 1920 wurde er zum Stadtverordneten von Groß-Berlin gewählt. Gleichzeitig engagierte er sich gewerkschaftlich in verschiedenen Ehrenämtern im Deutschen Metallarbeiterverband (DMV), dem er bereits 1910 beigetreten war. 1920 wurde Szillat Erster Bevollmächtigter und besoldeter Geschäftsführer der Rathenower Verwaltungsstelle des DMV. In dieser Position verblieb er bis 1927, so dass sich der Schwerpunkt seines Wirkens nach Rathenow verlagerte, wo er auch weiterhin kommunalpolitisch tätig wurde. 1921 – 1925 war Szillat Kreistagsabgeordneter und Kreisausschussmitglied im Westhavelland, ab 1924 Stadtverordneter in Rathenow und wurde 1925 in den preußischen Landtag gewählt.Nach Aufgabe seiner Tätigkeit für den Metallarbeiterverband war er 1928 bis 1932 besoldeter Stadtrat und Stadtkämmerer von Rathenow.
Ende des Jahres 1931 begannen in Brandenburg die Auseinandersetzungen über die Wahl eines neuen Oberbürgermeisters. In der Stadtverordnetenversammlung versuchten die bürgerlichen Parteien mit Unterstützung der beiden Stadtverordneten der NSDAP die Wahl des SPD Kandidaten Eichler zu verhindern, da er wegen Konfessionslosigkeit abgelehnt wurde. Sämtliche Stadtverordnete außer denen der SPD und KPD legten ihre Ämter nieder, um eine Auflösung der SVV zu erreichen. Diese wurde jedoch vom preußischen Staatsministerium abgelehnt, da die kommunistischen Stadtverordneten nicht zurücktraten und somit die Beschlussfähigkeit noch gegeben war. Nachdem ein weiterer Kandidat der SPD die Wahl nicht annahm wurde am 25.2.1932 Paul Szillat zum OB gewählt und trat sein Amt am 22.3.1932 an.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Brandenburg waren zu dieser Zeit katastrophal. Viele Unternehmen, waren wegen der Weltwirtschaftskrise bankrott gegangen. Der größte Betrieb, die Brennabor-Werke musste 1932 für acht Monate den Automobilbau einstellen und wandelte sich nach einem Vergleichsverfahren in eine AG um. Brandenburg hatte die höchste Zahl an Arbeitslosen unter den Städten über 50 000 Einwohnern im Lande.
Nach Beginn der NS-Herrschaft am 30.1.1933 wurde dem OB im Februar die Hoheit über die Polizei entzogen und einem Polizeihauptmann aus Potsdam übertragen, der nur mit der NSDAP-Kreisleitung beriet und dem OB allenfalls Ergebnisse mitteilte. Am 20.3.1933 wurde Szillat vom preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring entlassen.
Szillat blieb bis zum Verbot der SPD im Juni 1933 Abgeordneter des Landtages, wo er im Mai das Amt des Fraktionsvorsitzenden übernahm. Er stimmte dort als einziger Abgeordneter gegen ein preußisches Ermächtigungsgesetz.
Am 23.6. 1933 wurde Szillat verhaftet und zunächst im Brandenburger Polizeigefängnis in „Schutzhaft“ genommen. Am 28.6.1933 steckte man ihn in Konzentrationslager Oranienburg, wo er schwer misshandelt wurde. Nach seiner Entlassung am 9.8.1933 stand er unter Polizeiaufsicht. Die Rückkehr nach Brandenburg wurde ihm untersagt.

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Nach Ende des 2. Weltkrieges gehörte Szillat zu den Wiederbegründern der SPD und wurde einstimmig von der Rathenower SVV zum Oberbürgermeister gewählt. Im Frühjahr 1946 setzte sich Szillat für den Zusammenschluss von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ein. Auf dem Vereinigungsparteitag im April 1946 wurde er in den Parteivorstand der neugegründeten SED gewählt, war jedoch aufgrund seiner sozialdemokratischen Überzeugungen bald einer der bedeutendsten innerparteilichen Kritiker. Die Auseinandersetzungen innerhalb der SED spitzten sich in der Folgezeit immer weiter zu, da Szillat neben Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht auch die Rolle der Sowjetunion kritisierte.
Im Juni 1950 wurde Szillat unter Missachtung seiner Immunität als Landtagsabgeordneter verhaftet. Im November 1950 wurde er aus der SED ausgeschlossen und am 13.11.1951 wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Szillat kehrte nun nach Brandenburg zurück und zwar in die Strafvollzugsanstalt Brandenburg Görden, wo er am 28.4.1956 entlassen wurde.
Als Oberbürgermeister von Rathenow war Szillat in der Bevölkerung sehr beliebt. So versammelten sich am 17.6.1953 Demonstranten vor dem Rathaus in Rathenow und skandierten: „Wir wollen unseren Bürgermeister Szillat wiederhaben! Szillat freilassen!“
Szillat floh nach seiner Freilassung nach West-Berlin, wo er am 17.1.1958 verstarb.
Nach der Wende wurde Szillat 1990 rehabilitiert, im April erfolgte die Kassation des in der DDR gegen ihn verhängten Urteils.

Lit.: Heß:Die Oberbürgermeister der Stadt Brandenburg im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts JbHV (NF) 10, S. 55-57; Kusior: Die Traditionen der Arbeiterbewegung und die Sozialdemokratie in Brandenburg an der Havel von den Ursprüngen bis 1933, in Erinnerungen an eine Rote Hochburg („Erinnerungen“) S. 46f; Heß: Zur Tätigkeit der SPD-Fraktion in der Brandenburger Stadtverordnetenversammlung in der Weimarer Republik in „Erinnerungen, S. 157f., Borns, Widerstand Brandenburger Sozialdemokraten gegen die NS-Diktatur in „Erinnerungen, S. 168f; Reichel: Die Brandenburger Sozialdemokratie in der SBZ und frühen DDR in „Erinnerungen“, S. 194f; Christin Schmidt MAZ 23.4.2016